Von Säbelzahntigern und faulen Gehirnen
- Jens Alsleben Stark im Sturm
- vor 3 Tagen
- 2 Min. Lesezeit

Anna starrte auf die Excel-Tabelle vor sich. „Gustav, ich muss entscheiden, ob wir das neue Projekt annehmen – Bauch sagt Ja, Kopf sagt Nein. Und jetzt?“
Gustav, der kleine Säbelzahntiger, sprang auf den Schreibtisch und ließ sich direkt vor Annas Tastatur nieder. „Willkommen im Club der kognitiven Kurzschlussreaktionen. Dein System 1 ist schon voll in Fahrt.“
Anna runzelte die Stirn. „System 1? Klingt wie eine schlechte Kaffeemaschine.“
„Falsch gedacht, meine Liebe“, schnurrte Gustav. „System 1 ist dein innerer Autopilot – schnell, impulsiv, energieeffizient. Hat dir damals das Leben gerettet, als meine Ahnen durch den Busch gestapft sind. Aber für komplexe Entscheidungen? Eher suboptimal.“
Anna seufzte. „Und was macht dann System 2?“
„Der Denker. Langsam, gründlich, aber faul wie ein Koalabär nach dem Eukalyptus-Buffet. Den zu aktivieren kostet Energie – und dein Gehirn ist ein echter Sparfuchs. Deswegen plappert System 1 oft einfach drauflos, bevor der Kollege im Oberstübchen überhaupt die Brille aufsetzt.“
Anna überlegte. „Also hat mein Bauchgefühl gar nicht immer recht?“
Gustav grinste. „Sagen wir’s so: Es ist großartig bei der Auswahl von Eiscreme, aber weniger hilfreich bei strategischen Entscheidungen. Erinnerst du dich an das Rätsel mit dem Schläger und dem Ball?“
„Klar, ich hab zuerst 10 Cent gedacht – war aber falsch, es waren 5 Cent.“
„Exakt! System 1 liebt solche Schnellschüsse. Aber das führt auch zu all den anderen Denkfallen: den Halo-Effekt, Bestätigungsfehler, Verfügbarkeits-Heuristik…“
„Stopp! Jetzt wirfst du aber wild mit Begriffen um dich!“
„Okay, der Reihe nach“, begann Gustav und hüpfte auf ihren Laptop. „Wenn du jemanden sympathisch findest, denkst du automatisch, der kann auch alles andere gut. Zack – Halo-Effekt. Wenn du dann nur noch Informationen suchst, die deine Meinung bestätigen, obwohl es Gegenbeweise gibt – Bestätigungsfehler. Und wenn du plötzlich denkst, Flugzeuge seien gefährlicher als Treppen, nur weil du den letzten Flugzeugabsturz in den Nachrichten gesehen hast – Verfügbarkeits-Heuristik.“
Anna lachte. „Mein Kopf ist also ein fauler Trickser.“
„Und ein leidenschaftlicher Geschichtenerzähler!“, rief Gustav. „Statt die Welt zu analysieren, denkt dein Gehirn lieber in schnellen Erzählungen. Schick ihm mal ein paar komplizierte Tabellen – und schon ruft es nach Kaffee und Pause!“
Anna grinste breit. „Und wie krieg ich mein System 2 aus dem Urlaub?“
„Gib ihm einen kleinen Schubs! Schreib deine Gedanken auf, stell dir schwierige Fragen: Ist das wirklich so? Habe ich genug Informationen? Und manchmal hilft’s auch, das Ganze einfach in einer schwer lesbaren Schrift zu schreiben. Dann merkt dein Kopf, dass jetzt Arbeit angesagt ist.“
„Also doch die Schriftart Comic Sans?“
Gustav verdrehte die Augen. „So verzweifelt sind wir dann auch wieder nicht!“
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