Klar und laut – oder laut und klar?
- Jens Alsleben Stark im Sturm
- vor 1 Tag
- 2 Min. Lesezeit

„Sag mal Gustav, wie laut darf ich eigentlich sein, wenn ich Recht habe?“ Anna schaute von ihrem Laptop auf, in ihrem Blick lag eine Mischung aus Frust und Selbstzweifel.
Gustav blinzelte schläfrig. „Das kommt ganz drauf an, ob du versuchst, gehört zu werden – oder ob du versuchst, andere zum Schweigen zu bringen.“
„Ich war heute im Steering Committee“, begann Anna, „und habe unsere Strategie verteidigt. Mit Nachdruck. Wirklich, ich war klar, direkt, ich wusste, wovon ich spreche – und dann sagte jemand später zu mir, ich sei aggressiv gewesen.“
Gustav setzte sich auf. „Ah, die alte Verwechslung von Klarheit mit Krawall. Es gibt da einen Unterschied, der größer ist, als viele denken.“
Anna seufzte. „Ich dachte, ich war einfach nur durchsetzungsstark…“
„Warst du vielleicht auch“, meinte Gustav. „Aber das Problem ist: Wenn Menschen sich überrumpelt fühlen – durch Tonfall, Körpersprache oder ein überrollendes Argument – dann nehmen sie das als Angriff wahr, nicht als Standpunkt.“
„Aber ich habe niemanden beleidigt!“
„Das musst du auch nicht“, schnurrte Gustav. „Aggression hat viele Gesichter: Unterbrechen, laut werden, Sarkasmus, Druck durch Status. Es ist nicht, was du sagst, sondern wie du es sagst – und wie sehr du dabei noch Raum lässt für die anderen.“
„Also soll ich in Zukunft einfach netter sein?“
„Nicht netter. Respektvoller. Und trotzdem klar.“ Gustav balancierte auf der Sessellehne. „Ein durchsetzungsstarker Mensch sagt: Das ist meine Sicht – und ich höre mir deine gerne an. Ein aggressiver Mensch sagt: Das ist meine Sicht – und du bist dumm, wenn du es anders siehst.“
Anna schwieg einen Moment. Dann: „Es war mir wirklich wichtig. Und ich glaube, ich habe zu sehr auf Druck gesetzt statt auf Überzeugung.“
„Das passiert“, meinte Gustav. „Gerade, wenn es um etwas Bedeutendes geht. Aber vergiss nie: Wenn du deine Stimme erhebst, um gehört zu werden – gut. Wenn du sie erhebst, um andere zu übertönen – überdenk’s nochmal.“
Anna lächelte schwach. „Du meinst also, wahre Stärke zeigt sich in Respekt – nicht in Lautstärke?“
„Ganz genau“, schnurrte Gustav. „Und Respekt ist das, was dich zur Führungskraft macht, der man folgt – nicht der man gehorcht.“
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