Der steinige Weg der Veränderung
- Jens Alsleben Stark im Sturm
- vor 3 Tagen
- 3 Min. Lesezeit

Anna ließ ihren Stift auf den Tisch fallen und massierte ihre Schläfen. Die letzten Wochen hatten sich endlos angefühlt. Sie hatte eine strategische Veränderung angekündigt, klare Ziele definiert und ihr Team in zahllosen Meetings auf die neue Richtung eingeschworen – doch trotzdem ging es nicht voran.
„Warum ist das so schwer?“ murmelte sie frustriert.
„Weil Veränderung mehr mit Physik zu tun hat, als du denkst,“ kam es von der Fensterbank.
Anna drehte sich zu Gustav um, der sich auf einem Stapel Unterlagen zusammengerollt hatte. „Physik? Jetzt komm mir nicht mit Newtons Gesetzen.“
Gustav grinste. „Genau genommen ist es einfach: Jedes System hat Trägheit. Einmal in Bewegung, bleibt es in Bewegung. Einmal festgefahren, bleibt es festgefahren.“
Anna seufzte. „Ich dachte, mein Team hätte verstanden, warum wir diese Veränderung brauchen. Ich war sicher, dass sie sie unterstützen würden.“
Gustav sprang auf den Schreibtisch und sah sie mit seinen grünen Augen an. „Und genau da liegt dein erster Denkfehler: Du hast angenommen, dass die meisten die Veränderung begrüßen. In Wahrheit tun das nur wenige – die meisten sind skeptisch oder verängstigt.“
Anna starrte ihn an. „Aber ich habe doch erklärt, warum die Veränderung wichtig ist! Ich habe die Vorteile aufgezeigt!“
„Ja, für dich ist die Notwendigkeit klar,“ schnurrte Gustav. „Aber für dein Team? Veränderung fühlt sich für viele nicht nach Fortschritt an, sondern nach Verlust.“
Anna rieb sich die Schläfen. „Okay, also habe ich ihre Skepsis unterschätzt. Was noch?“
Gustav schwang seinen Schwanz langsam hin und her. „Du hast gedacht, dass es schnell geht.“
Anna verdrehte die Augen. „Ich wusste, dass es schwierig wird. Aber doch nicht so schwierig!“
„Ah, da hast du wieder eine falsche Annahme getroffen.“ Gustav setzte sich kerzengerade hin. „Organisationen sind wie ein gut geöltes Uhrwerk. Selbst wenn das alte System nicht perfekt war, sind alle daran gewöhnt. Jede Veränderung ist ein massiver Eingriff, und deshalb dauert es immer länger als erwartet.“
Anna schüttelte den Kopf. „Ich habe mein Team auch rational überzeugt – mit Daten, Prognosen, Fakten. Aber manche scheinen einfach nicht zu wollen.“
Gustav nickte. „Menschen sind selten so rational, wie du denkst. Veränderung macht Angst. Fakten sind gut, aber Emotionen sind mächtiger. Die Leute müssen es fühlen.“
„Wie also schaffe ich das?“
„Hartnäckigkeit,“ sagte Gustav schlicht. „Du darfst nicht erwarten, dass sie nach einer einzigen Präsentation überzeugt sind. Du musst immer und immer wieder die Vision erklären. Nicht nur einmal, nicht nur am Anfang – sondern permanent.“
Anna dachte nach. „Und was ist mit denen, die sich komplett verweigern?“
Gustav zuckte mit den Schultern. „Manche werden sich nie zu 100 Prozent damit anfreunden. Veränderung ist kein Schalter, den man umlegt – es ist ein Prozess. Manche werden mitgehen, andere werden sich verweigern. Dein Job ist es, so viele wie möglich mitzunehmen und den Rest nicht zu ignorieren.“
Anna nickte langsam. „Also muss ich meine Erwartungen anpassen: Mehr Zeit einplanen, Widerstand als Teil des Prozesses akzeptieren und immer wieder die Vision wiederholen.“
Gustav schnurrte zufrieden. „Jetzt hast du es verstanden. Veränderung ist nicht nur eine Idee – sie ist Bewegung. Und Bewegung erzeugt Reibung.“
Anna lehnte sich zurück und atmete tief durch. „Dann wird es Zeit, mich auf die lange Reise vorzubereiten.“
Gustav zwinkerte. „Sehr gut. Und vergiss nicht: Wer den Wandel führt, muss am längsten durchhalten.“
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