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AutorenbildJens Alsleben Stark im Sturm

Der Reiz des Verbotenen

Gustav saß wie gewohnt auf der Fensterbank und musterte Anna, die nachdenklich vor ihrem Laptop saß. „Du wirkst heute besonders vertieft, Anna“, bemerkte er.


Anna seufzte und lehnte sich zurück. „Ich denke darüber nach, wie ich mein Team motivieren kann, ohne sie zu sehr zu bevormunden. Es ist mir aufgefallen, dass sie manchmal gerade dann Widerstand leisten, wenn ich klare Anweisungen gebe.“


Gustav schnurrte leise. „Ah, du hast also den uralten Widerstand gegen Befehle entdeckt.“


Anna runzelte die Stirn. „Was meinst du damit?“


„Nun“, begann Gustav, „es gibt etwas, das als ‚psychologische Reaktanz‘ bezeichnet wird. Wenn Menschen das Gefühl haben, dass ihre Freiheit eingeschränkt wird – wie bei einem direkten Befehl –, verspüren sie das Bedürfnis, dagegen anzukämpfen, selbst wenn sie wissen, dass es vernünftig wäre, zu gehorchen.“


Anna nickte langsam. „Das macht Sinn. Es ist wie das Verlangen, ein ‚Nicht berühren‘-Schild zu ignorieren und genau das zu tun, was es verbietet.“


„Genau“, schnurrte Gustav. „Menschen hassen es, das Gefühl zu haben, dass ihnen die Wahl genommen wird. Sie wollen frei entscheiden, und wenn sie das Gefühl haben, dass ihnen diese Freiheit genommen wird, rebellieren sie – manchmal sogar unbewusst.“


„Aber was soll ich tun?“ fragte Anna. „Als Führungskraft muss ich manchmal klare Anweisungen geben. Wenn ich zu vage bin, weiß das Team nicht, was zu tun ist.“


Gustav neigte den Kopf nachdenklich. „Es geht nicht darum, keine Anweisungen zu geben, sondern darum, wie du sie formulierst. Gute Führungskräfte wissen, dass Empfehlungen, Vorschläge und sanfte Richtlinien oft besser funktionieren als Befehle. Du kannst immer noch deine Erwartungen klar machen, aber auf eine Weise, die das Gefühl der Freiheit deiner Teammitglieder bewahrt.“


„Das ist interessant“, sagte Anna. „Aber was, wenn ich wirklich will, dass sie etwas Bestimmtes tun?“


Gustav grinste verschmitzt. „Manchmal nutzen kluge Führungskräfte – und Eltern – diese Reaktanz zu ihrem Vorteil. Sie wenden ‚umgekehrte Psychologie‘ an, indem sie das Gegenteil dessen sagen, was sie eigentlich wollen. Das kann funktionieren, aber es ist riskant.“


Anna lachte. „Ich kenne das. Man sagt: ‚Mach das bloß nicht‘, und plötzlich wollen alle genau das tun.“


„Genau“, schnurrte Gustav. „Aber Vorsicht – es kann auch nach hinten losgehen. Die Menschen könnten merken, was du vorhast, und sich noch mehr dagegen wehren. Umgekehrte Psychologie sollte nur sparsam und mit Bedacht eingesetzt werden.“


Anna lehnte sich zurück und dachte nach. „Also sollte ich mehr darauf achten, wie ich Anweisungen gebe, um zu vermeiden, dass das Team unnötig Widerstand leistet.“


„Ganz richtig“, sagte Gustav. „Führungskräfte, die verstehen, wie stark das Bedürfnis nach Freiheit ist, schaffen es, ihre Teammitglieder zu motivieren, ohne sie zu kontrollieren. Sie führen, ohne zu diktieren, und vermeiden so unnötige Reaktanz.“


„Das werde ich ausprobieren“, sagte Anna entschlossen. „Ich werde versuchen, weniger direktiv zu sein und mehr Freiheit zu lassen – ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren.“


„Eine kluge Entscheidung“, schnurrte Gustav zufrieden. „Denn je weniger du die Freiheit deiner Teammitglieder einschränkst, desto eher werden sie bereit sein, das zu tun, was du eigentlich von ihnen möchtest.“


 

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