Wenn Glück eine Gleichung wäre
- Jens Alsleben Stark im Sturm
- 24. Apr.
- 2 Min. Lesezeit

Anna starrte auf ihr halb leeres Cappuccino-Glas. Es war einer dieser Tage, an denen selbst der dritte Kaffee nichts half.
„Ich weiß nicht, Gustav“, seufzte sie und fuhr sich durchs Haar. „Ich hab das Gefühl, ich hab alles und bin trotzdem nicht richtig glücklich.“
Gustav, der kleine Säbelzahntiger, lag ausgestreckt auf dem Fensterbrett. Er hob ein grünes Auge. „Dann wird’s Zeit, dass wir über Mathematik reden.“
Anna runzelte die Stirn. „Du willst mir mit Mathe erklären, wie man glücklich wird?“
„Exakt“, sagte Gustav und sprang mit einem eleganten Satz auf den Tisch. „Mo Gawdat, Ex-Google-Manager und Ingenieur, hat das mal so formuliert: Glück ≥ Wahrnehmung des Lebens – Erwartung an das Leben.“
Anna starrte ihn an. „Das ist… verdammt logisch.“
„Ist es auch“, schnurrte Gustav. „Die meisten Menschen denken, sie müssen mehr haben, um glücklicher zu sein. Aber eigentlich müssten sie weniger erwarten – oder ihre Wahrnehmung verändern.“
„Also liegt’s gar nicht an meinem Job, dem Stress oder der endlosen To-do-Liste?“
„Nur bedingt“, antwortete Gustav. „Was dich unglücklich macht, ist meist die Lücke zwischen dem, was ist, und dem, was du dir wünschst. Je größer der Abstand, desto mehr Frust.“
Anna lehnte sich zurück. „Und wie verändert man seine Wahrnehmung? Ich kann doch nicht einfach aufhören, Erwartungen zu haben.“
„Stimmt“, nickte Gustav. „Aber du kannst die Illusionen erkennen, die dich daran hindern, klar zu sehen.“
„Welche Illusionen?“
„Zum Beispiel die Stimme in deinem Kopf – die, die dir sagt, du seist nicht gut genug. Die bist nicht du. Du bist der Beobachter. Du bist nicht deine Gedanken, Anna. Du hörst ihnen nur zu.“
Anna schwieg einen Moment. „Wenn ich ehrlich bin, glaube ich dieser Stimme oft zu schnell.“
Gustav nickte. „Dann ist es Zeit, ihr zu widersprechen. Und zu erkennen: Kontrolle ist auch so eine Illusion. Du kannst dein Leben nicht durchplanen. Es passiert. So wie der Tod.“
Anna zuckte zusammen. „Jetzt wird’s düster.“
„Gar nicht“, sagte Gustav sanft. „Mo Gawdat hat das nach dem Tod seines Sohnes verstanden: Wir sterben alle. Aber wenn du das wirklich begreifst, dann lebst du bewusster. Und dankbarer.“
Anna sah zum Fenster hinaus. „Also weniger kontrollieren, mehr akzeptieren. Mehr beobachten als bewerten. Und im Jetzt bleiben, oder?“
„Jetzt bist du die Mathemeisterin“, griente Gustav. „Killingsworth hat mal gezeigt: Menschen sind dann am glücklichsten, wenn sie ganz im Moment sind – nicht in der Vergangenheit oder Zukunft.“
Anna schmunzelte. „Und was ist mit Liebe? Ich meine, echte, tiefe Liebe?“
„Die wichtigste Zutat überhaupt“, sagte Gustav. „Aber nur, wenn sie bedingungslos ist. Nicht: Ich liebe dich, weil… Sondern: Ich liebe dich. Punkt.“
„Und was ist mit Glück durch Erfolg? Durch Ziele? Durch Erreichen?“
„Das ist wie Zucker in einem Kuchenteig“, sagte Gustav. „Süß, aber nicht das, was den Kuchen zusammenhält. Das sind Dankbarkeit, Präsenz, Akzeptanz – und Liebe.“
Anna lächelte. „Und was ist, wenn ich morgen wieder an allem zweifle?“
Gustav leckte sich eine Pfote. „Dann denk daran: Du bist nicht deine Zweifel. Du bist der, der sie beobachtet. Und du hast die Wahl, was du mit ihnen machst.“
„Das ist… beruhigend.“
„Das ist Glück“, sagte Gustav. „Zumindest ein Anfang davon.“
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