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Wenn die Zeit fliegt und die Seele tanzt

Anna saß an ihrem Schreibtisch, die Stirn gerunzelt, der Cursor blinkte erwartungsvoll. Sie hatte alles getan, was man ihr geraten hatte – To-do-Listen geschrieben, das Handy in den Flugmodus versetzt, sogar die letzte Tasse Kaffee ignoriert. Und doch: Nichts. Kein Fluss, keine Idee. Kein Flow.


„Was machst du da eigentlich, Anna?“ Gustav balancierte auf der Lehne ihres Stuhls, die Reißzähne blitzten neckisch. „Du siehst aus wie jemand, der gegen einen Gedanken kämpft.“


„Ich versuche, einen Artikel zu schreiben über...“ – sie seufzte – „über produktives Arbeiten. Und wie man in den Flow kommt. Ironisch, oder?“


Gustav grinste. „Du meinst, dieser Zustand, in dem man Raum und Zeit vergisst? Wo man völlig in einer Sache aufgeht und danach das Gefühl hat, echt was geschafft zu haben?“


Anna nickte. „Genau. Ich hatte das früher oft – beim Laufen, beim Präsentationen bauen, sogar beim Kochen. Aber jetzt ist da nur noch Druck. Und... Leere.“


Gustav sprang auf ihren Schreibtisch. „Weißt du, woran das liegt? Du jagst dem Glück hinterher, statt es selbst zu erschaffen.“


„Bitte was?“ Anna schaute ihn verblüfft an.


„Flow ist nicht das Ergebnis eines äußeren Ziels. Es ist die Folge davon, dass du genau das tust, was herausfordernd ist – aber nicht überfordernd. Was dir gerade noch so gelingt, wenn du mit voller Konzentration dabei bist.“


Anna lehnte sich zurück. „Also nicht das Schreiben an sich ist das Problem, sondern mein Kopf, der überall gleichzeitig ist?“


„Ganz genau. Csikszentmihalyi – versuch das mal auszusprechen, ohne dir die Zunge zu brechen – hat das sehr schön beschrieben: Menschen sind dann glücklich, wenn sie eine Aufgabe mit klarem Ziel, unmittelbarem Feedback und voller Aufmerksamkeit ausführen. Es ist wie Klettern – Schritt für Schritt, fokussiert, aber nicht hektisch.“


„Klar, und wenn man abstürzt, merkt man’s sofort“, sagte Anna trocken.


„Oder wie beim Jonglieren mit Ideen – wenn du dich zu sehr auf das Ergebnis konzentrierst, fallen dir die Gedanken runter. Wenn du dich aber nur auf den nächsten Wurf konzentrierst... zack, fliegst du.“


„Ich hab halt so viel zu tun“, murmelte Anna. „Es fühlt sich nicht an wie Jonglieren. Eher wie... Abrackern.“


Gustav nickte verständnisvoll. „Viele verwechseln Arbeit mit Mühsal. Dabei ist der Unterschied oft nur: Haltung. Wenn du dich selbst als passive Empfängerin von Aufgaben siehst, wird jede E-Mail zur Last. Aber wenn du Aufgaben als sportliche Herausforderung annimmst, als kreatives Spiel – dann wird Arbeit zum Tanz.“


Anna hob die Augenbraue. „Kreatives Spiel, hm? Das sagst du als Tiger, der nie Deadlines hat.“


„Ich habe Anna als Deadline“, erwiderte Gustav mit einem frechen Blinzeln. „Und weißt du was? Kinder machen’s uns vor: Die sind ständig im Flow. Weil sie sich ganz auf das konzentrieren, was sie tun – nicht auf das, was daraus werden soll. Kein Kind spielt Lego, um die Eltern zu beeindrucken. Es spielt, weil es spielt.“


Anna dachte nach. „Also sagst du, ich sollte weniger über das Ergebnis nachdenken und mehr... eintauchen?“


„Tauche ein wie ein Surfer in die Welle“, schnurrte Gustav. „Suche dir Aufgaben, die dich fordern, aber nicht überfordern. Und gestalte dir klare Ziele, mit direktem Feedback. Zum Beispiel: ‚Ich schreibe jetzt 300 Wörter – egal wie gut.‘ Und danach belohnst du dich mit einem Espresso.“


„Das klingt... machbar.“


„Und wenn du die Kunst beherrschst, aus Arbeit ein Spiel zu machen – dann kommt der Flow ganz von allein. Csikszentmihalyi hat gezeigt, dass sogar Fließbandarbeiter in den Flow kommen können, wenn sie sich selbst kleine Ziele setzen und aus jeder Tätigkeit eine persönliche Challenge machen.“


„Okay. Ich schreibe jetzt drei Absätze. Nicht für den Chef, nicht für LinkedIn. Für mich. Und ich höre auf, auf Perfektion zu warten.“


„Jetzt sprichst du meine Sprache, Anna.“


Sie lächelte. Gustav rollte sich schnurrend auf ihrer Tastatur zusammen, während die Worte endlich wieder flossen.



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