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Führung in unbekannten Gewässern

Anna saß im Meetingraum, umgeben von hochqualifizierten Spezialisten. Ein Datenanalyst, eine KI-Expertin, ein Ingenieur für Prozessoptimierung – allesamt Menschen, deren Fachgebiete so weit von ihrem eigenen entfernt waren, dass sie bei manchen Diskussionen kaum folgen konnte.


Und genau das war ihr Problem.


Ihr Vorgesetzter hatte sie gebeten, eine neue digitale Initiative zu leiten. Doch wie konnte sie Experten führen, deren Arbeit sie selbst nicht verstand?


„Du siehst aus, als würdest du gleich kapitulieren“, ertönte eine vertraute Stimme von der Fensterbank.


Anna blickte auf. Gustav beobachtete sie mit zusammengekniffenen Augen.


„Ich habe einfach keine Ahnung, wie ich hier einen Mehrwert bringen soll“, seufzte sie. „Ich bin kein Datenanalyst, keine KI-Expertin. Ich kann ihnen keine fachlichen Ratschläge geben.“


Gustav sprang auf den Tisch und rollte sich seelenruhig auf ihren Unterlagen zusammen. „Tja, dann solltest du vielleicht aufhören zu denken, dass das dein Job ist.“


Anna runzelte die Stirn. „Wie meinst du das?“


„Du bist nicht hier, um die beste Analytikerin oder Ingenieurin zu sein“, erklärte Gustav. „Deine Aufgabe ist es, deren Arbeit zu erleichtern. Also hör auf, dich auf dein fehlendes Wissen zu konzentrieren, und fang an zu fragen: Was hält euch eigentlich davon ab, euren Job zu machen?“


Anna dachte nach. In den letzten Meetings hatte sie sich oft darauf konzentriert, kluge Fragen zu stellen – um irgendwie ihre Kompetenz zu beweisen. Dabei hatte sie nie wirklich herausgefunden, wo die eigentlichen Herausforderungen des Teams lagen.


„Ich soll mich also nicht darauf konzentrieren, was sie tun – sondern darauf, was sie daran hindert, es gut zu tun?“


Gustav nickte. „Exakt. Frag sie, welche Hindernisse ihnen den Weg versperren. Was sie ausbremst. Welche Prozesse sie frustrieren. Sie erwarten nicht, dass du die Arbeit für sie machst – aber sie werden es dir hoch anrechnen, wenn du die Hürden verstehst, mit denen sie kämpfen.“


„Und wenn ich nichts dagegen tun kann?“


„Musst du auch nicht immer. Manchmal reicht es schon, dass du die Probleme anerkennst. Aber wenn du dann doch eine Blockade aus dem Weg räumen kannst – sei es durch Ressourcen, politische Unterstützung oder eine kleine Prozessänderung – dann wirst du als jemand wahrgenommen, der wirklich einen Unterschied macht.“


Anna lehnte sich zurück. „Das bedeutet, ich muss mich nicht als Expertin ausgeben, um hier als gute Führungskraft ernst genommen zu werden.“


„Richtig.“ Gustav gähnte. „Experten respektieren keine Möchtegern-Experten. Aber sie respektieren jemanden, der ihre Herausforderungen ernst nimmt und sie dabei unterstützt, erfolgreich zu sein.“


Anna lächelte. In ihrem nächsten Meeting würde sie ihre Strategie ändern. Keine klugen Fragen mehr, nur um mitreden zu können. Stattdessen würde sie eine neue Frage stellen: Was bremst euch aus?


Sie war gespannt, welche Antworten sie bekommen würde.


 

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