Die Tarnung der harten Worte
- Jens Alsleben Stark im Sturm
- 22. Apr.
- 2 Min. Lesezeit
„Gustav, warum glauben manche Menschen, dass sie gemeine Dinge sagen können, solange sie es vorher ankündigen?“
Der kleine Säbelzahntiger öffnete träge ein Auge und gähnte. „Ah, du hast also die Kunst der verbalen Tarnung entdeckt.“
Anna verschränkte die Arme. „Verbalen Tarnung?“
Gustav sprang auf den Tisch und ließ seinen Schwanz langsam schwingen. „Ja, du weißt schon – diese kleinen Sätze, mit denen Leute ihre verletzenden Kommentare legitimieren. ‚Ich muss das jetzt einfach sagen.‘ Oder ‚Das ist nicht persönlich, aber…‘“
Anna nickte. „Oder ‚Tough Love ist eben nicht immer angenehm.‘“
„Genau!“, rief Gustav aus. „Das Problem ist: Solche Sätze machen die Worte danach nicht harmloser – sie machen sie sogar schlimmer. Denn sie erlauben dem Sprecher, sich selbst aus der Verantwortung zu nehmen.“
Anna dachte nach. „Also benutzt man solche Phrasen, um sich selbst davon zu überzeugen, dass man nichts Falsches tut?“
„Exakt!“, schnurrte Gustav. „Menschen glauben, dass eine Entschuldigung vorweg das Gesagte mildert. In Wahrheit zeigt es nur, dass sie wissen, dass das, was sie sagen, verletzend ist – und es trotzdem tun.“
Anna seufzte. „Ich habe das bestimmt auch schon mal gesagt.“
„Jeder hat das schon mal getan“, meinte Gustav. „Aber gute Führungskräfte erkennen diesen Reflex und stoppen sich selbst. Sie fragen sich: Muss ich das wirklich sagen? Oder rechtfertige ich gerade nur meine schlechte Laune?“
Anna lehnte sich zurück. „Also wäre die einfachste Regel: Wenn ich das Bedürfnis habe, meine Worte vorher zu entschuldigen, sollte ich sie vielleicht gar nicht sagen?“
Gustav grinste. „Du bist schnell, Anna. Genau das.“
Anna schmunzelte. „Dann werde ich in Zukunft darauf achten, was ich sage – und vor allem, wie ich es einleite.“
Gustav zwinkerte. „Sehr gut. Denn wahre Führungsstärke zeigt sich nicht in den Worten, die man spricht, sondern in den Worten, die man für sich behält.“
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