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Die Kunst des Zuhörens

„Ich habe das Gefühl, dass ich nicht alles mitbekomme, was im Team vor sich geht“, sagte Anna und rieb sich die Stirn. „Ich erfahre Dinge immer erst, wenn es schon fast zu spät ist.“


Gustav, der kleine Säbelzahntiger mit den grünen Augen, schaute von seiner Position auf der Fensterbank auf. „Ach ja? Vielleicht magst du ja keine schlechten Nachrichten?“


Anna schüttelte den Kopf. „Natürlich nicht, aber ich muss sie wissen. Wie soll ich sonst reagieren und das Team unterstützen?“


Gustav ließ seinen Schwanz nachdenklich hin- und herschwingen. „Dann liegt das Problem wohl nicht bei den Nachrichten, sondern bei den Überbringern.“


„Was meinst du damit?“ fragte Anna.


„Menschen sagen oft nur das, was sie glauben, dass du hören willst“, erklärte Gustav. „Sie filtern die Informationen, um dir zu gefallen oder um Ärger zu vermeiden.“


Anna seufzte. „Ja, das stimmt. Aber was kann ich dagegen tun?“


„Du könntest anfangen, klar zu sagen, was du wissen willst“, schnurrte Gustav. „Und zwar immer wieder, bis es bei jedem angekommen ist.“


„Aber ich frage doch nach Updates und Berichten“, protestierte Anna.


„Ja, nach den offiziellen Versionen“, erwiderte Gustav und stand auf, um sich zu strecken. „Aber was ist mit den inoffiziellen Wahrheiten? Den Dingen, die unter der Oberfläche brodeln?“


Anna runzelte die Stirn. „Du meinst die Dinge, die nicht in den Reports stehen?“


„Exakt“, bestätigte Gustav. „Du musst den Leuten das Gefühl geben, dass es sicher ist, dir auch schlechte Nachrichten zu bringen. Und du musst klar machen, dass du sie haben willst.“


„Und wie mache ich das?“


Gustav setzte sich auf seine Hinterpfoten und blickte sie ernst an. „Indem du niemals den Überbringer der schlechten Nachricht bestrafst. Egal, wie unangenehm das Thema ist.“


Anna schluckte. Sie erinnerte sich an eine Situation, in der sie einen Mitarbeiter harsch kritisiert hatte, weil er ihr spät von einem Problem berichtet hatte. Damals war sie wütend gewesen – auf die Situation, nicht auf ihn. Aber vielleicht hatte er es anders aufgefasst.


„Du musst den Überbringern danken“, fuhr Gustav fort. „Und dann musst du zeigen, dass du die Informationen nutzt, um etwas zu verändern.“


Anna nickte nachdenklich. „Du meinst, ich muss sie belohnen, indem ich handle.“


„Genau“, schnurrte Gustav zufrieden. „Wenn sie sehen, dass ihre Offenheit etwas bewirkt, werden sie beim nächsten Mal ehrlicher sein.“


„Aber was ist, wenn ich auf eine schlechte Nachricht emotional reagiere? Ich bin auch nur ein Mensch.“


Gustav zuckte mit den Schultern. „Dann sag ihnen, dass du Zeit brauchst, um darüber nachzudenken. Aber lass es niemals an ihnen aus.“


Anna lehnte sich zurück und ließ sich das Gesagte durch den Kopf gehen. „Ich muss klar kommunizieren, was ich wissen will, und dafür sorgen, dass sie keine Angst vor Konsequenzen haben.“


„Ja“, bestätigte Gustav. „Und du musst ihnen immer wieder sagen, dass du die Wahrheit willst – nicht nur das, was gut klingt.“


„Ich dachte immer, ich bin eine offene Führungskraft“, murmelte Anna. „Aber vielleicht habe ich nicht klar genug gemacht, dass ich auch die unbequemen Wahrheiten hören will.“


„Weißt du, was das Schöne an Wahrheit ist?“ fragte Gustav und seine grünen Augen funkelten.


„Was denn?“


„Sie findet immer einen Weg ans Licht – wenn man ihr genug Raum gibt.“


Anna lächelte. „Dann wird es Zeit, dass ich den Raum dafür schaffe.“


„Weise Entscheidung“, schnurrte Gustav und kehrte auf die Fensterbank zurück, um sich in der Sonne zu räkeln. „Und wenn du dabei noch Thunfisch aus der Kantine mitbringst, wirst du auch mich immer ehrlich an deiner Seite haben.“


Anna lachte laut. „Du kleiner Manipulator.“


„Ich bevorzuge den Begriff ‚strategischer Kommunikator‘“, entgegnete Gustav mit einem zwinkernden Blick.


Anna wusste, dass Gustav recht hatte. Es lag an ihr, eine Kultur der Offenheit zu schaffen – eine, in der die Wahrheit willkommen war, egal wie unbequem sie sein mochte. Und sie wusste, dass sie es schaffen würde. Schließlich hatte sie den besten Berater, den man sich wünschen konnte – auch wenn er manchmal etwas zu sehr auf Thunfisch fixiert war.



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