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Der Wert der echten Großzügigkeit

„Ich glaube, ich habe ein Problem“, sagte Anna und schaute gedankenverloren aus dem Fenster.


Gustav, der kleine Säbelzahntiger mit den grünen Augen, lag auf ihrem Schreibtisch und ließ seinen Schwanz träge hin- und herschwingen. „Nur eins? Das wäre ja mal eine Erleichterung.“


Anna schenkte ihm ein gequältes Lächeln. „Sehr witzig. Nein, es geht um das Team. Ich habe das Gefühl, dass meine Großzügigkeit nach hinten losgeht.“


Gustav setzte sich auf, seine Augen blitzten interessiert auf. „Großzügigkeit, hm? Was hast du getan? Ihnen alle Freitagnachmittage freigegeben? Oder Tickets für das nächste Champions-League-Spiel verschenkt?“


Anna verschränkte die Arme vor der Brust. „Beides. Und noch mehr. Ich habe ihnen Bonuszahlungen ermöglicht, Einladungen zu exklusiven Events organisiert und immer wieder mein Netzwerk aktiviert, um sie zu fördern.“


Gustav betrachtete sie nachdenklich. „Klingt nach einem großzügigen Chef. Wo liegt das Problem?“


„Sie erwarten es jetzt“, sagte Anna mit einem Seufzen. „Sie sehen es nicht mehr als besondere Geste, sondern als Selbstverständlichkeit. Und ich frage mich, ob ich das nicht selbst verursacht habe.“


Gustav schnurrte leise, ein Zeichen, dass er nachdachte. „Großzügigkeit kann zwei Gesichter haben, weißt du?“


„Wie meinst du das?“


„Nun“, begann Gustav und wickelte seinen Schwanz ordentlich um seine Pfoten, „echte Großzügigkeit kommt ohne Erwartungen. Du gibst, weil du Freude daran hast, nicht weil du etwas zurückerwartest.“


Anna runzelte die Stirn. „Ich erwarte doch nichts zurück.“


Gustav neigte den Kopf. „Vielleicht nicht bewusst. Aber was ist mit Anerkennung? Mit Dankbarkeit? Mit Loyalität?“


Anna schwieg und dachte darüber nach.


„Das Problem“, fuhr Gustav fort, „ist nicht die Großzügigkeit an sich, sondern das Motiv dahinter. Wenn du gibst, um gemocht zu werden oder um eine Verpflichtung zu erzeugen, dann ist das keine Großzügigkeit mehr. Dann ist es Manipulation.“


Anna riss die Augen auf. „Manipulation? Das ist doch Blödsinn! Ich will doch nur, dass sie sich geschätzt fühlen.“


Gustav zuckte mit den Schultern. „Und du willst ihre Anerkennung. Ihren Respekt. Vielleicht sogar ihre Bewunderung. Das ist menschlich, Anna. Aber es ist nicht Großzügigkeit.“


Anna sank in ihren Stuhl zurück. „Vielleicht hast du recht. Vielleicht habe ich unbewusst erwartet, dass sie härter arbeiten, loyaler sind... dass sie mich mehr respektieren.“


„Es gibt eine feine Linie zwischen Großzügigkeit und Kontrolle“, erklärte Gustav. „Echte Großzügigkeit verlangt nichts im Gegenzug. Sie ist selbstlos.“


„Und was soll ich jetzt tun?“ fragte Anna hilflos.


Gustav leckte sich eine Pfote und überlegte. „Du könntest anfangen, anders zu geben. Ohne Erwartungen. Und du könntest klarer kommunizieren, was du von ihnen als Team erwartest – unabhängig von deiner Großzügigkeit.“


Anna nickte langsam. „Ich muss also die Spielregeln ändern. Meine Erwartungen klar aussprechen und meine Großzügigkeit davon trennen.“


„Genau“, schnurrte Gustav zufrieden. „Denn wenn du gibst, um etwas zu bekommen, dann gibst du nicht – du handelst.“


Anna lachte leise. „Du hast mal wieder recht, Gustav. Ich werde das ändern.“


Gustav sprang elegant auf die Fensterbank zurück. „Weißt du, was wahre Großzügigkeit ist, Anna?“


„Was denn?“


„Mir ein bisschen mehr Thunfisch zu geben – ohne zu erwarten, dass ich dir noch mehr Lebensweisheiten liefere.“


Anna lachte laut auf. „Du kleiner Manipulator.“


„Ich bevorzuge den Begriff ‚kluger Stratege‘“, schnurrte Gustav. „Aber Thunfisch ist Thunfisch.“


Während Anna zur Büroküche ging, um Gustav seinen Wunsch zu erfüllen, wusste sie, dass sie heute etwas Wichtiges gelernt hatte: Echte Großzügigkeit kommt aus dem Herzen – nicht aus einer Agenda.



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