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Der Stolz auf das „Aber“

„Du, Gustav“, sagte Anna und legte den Laptop seufzend beiseite, „ich hab heute im Feedbackgespräch von meinem Team gehört, ich würde immer alles kommentieren – selbst wenn ich eigentlich zustimme.“


Gustav rollte sich auf der Fensterbank zusammen, hob aber eine Augenbraue. „Tust du das etwa nicht?“


Anna verdrehte die Augen. „Doch. Immer ein ‚Tolle Idee, aber…‘ oder ‚Gute Präsentation, aber wenn du noch XY ergänzt hättest…‘ – ich kann’s anscheinend nicht lassen.“


„Das ist ein Klassiker“, schnurrte Gustav. „Das sogenannte Erfolgs-Reflex-Syndrom.“


„Was bitte?“


„Du bist erfolgreich, also denkst du, dein Input sei immer hilfreich. Das war früher vielleicht sogar so. Aber jetzt…?“


„Jetzt wirkt es wie Kontrollwahn und raubt den anderen die Motivation“, murmelte Anna.


„Goldsmith würde dir ein Leckerli geben für diese Einsicht“, sagte Gustav feierlich. „Denn was dich hierhergebracht hat, bringt dich eben nicht weiter.“


Anna schwieg. Dann: „Und was bringt mich weiter?“


„Zuhören. Weniger reden. Mehr danke sagen. Und manchmal auch einfach: Nicken und genießen, dass jemand anders glänzt.“


„Puh“, seufzte Anna. „Klingt so einfach. Ist aber ganz schön schwer, wenn man 20 Jahre lang gelernt hat, immer die Beste im Raum zu sein.“


„Das Ego ist wie ein Säbelzahntiger“, grinste Gustav. „Stark, aber nicht besonders teamfähig.“


„Also streiche ich künftig das ‚Aber‘ und lobe einfach mal ohne Nachsatz?“


„Genau. Und wenn du doch etwas sagen willst – stell eine Frage. Frag: Was brauchst du, um das weiter auszuarbeiten?“


Anna lächelte. „Weißt du was, Gustav? Vielleicht bringt mich genau das weiter.“


„Vielleicht? Ganz sicher“, miaute Gustav. „Und vielleicht gibt's dann sogar endlich einen Keks für mich.“


 

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