Der Mut zum Sprung
- Jens Alsleben Stark im Sturm
- 9. März
- 2 Min. Lesezeit

„Du bist so still heute“, bemerkte Gustav, während er auf Annas Schreibtisch saß und seinen buschigen Schwanz hin und her schwenkte.
Anna starrte gedankenverloren aus dem Fenster. „Ich weiß, was ich tun sollte. Aber irgendetwas hält mich zurück.“
Gustav legte den Kopf schief. „Angst vor der Entscheidung?“
„Nicht vor der Entscheidung selbst“, erklärte Anna. „Ich habe Angst davor, was danach kommt. Was, wenn ich falsch liege? Was, wenn ich das Team in die falsche Richtung führe?“
Gustav zuckte mit den Schultern. „Dann korrigierst du den Kurs und machst es besser. Aber du wirst es nie erfahren, wenn du hier nur sitzt und nachdenkst.“
Anna verzog das Gesicht. „Du machst es dir immer so einfach.“
„Einfach?“, fragte Gustav mit gespielter Empörung. „Ich bin ein Säbelzahntiger. Weißt du, wie oft ich vom Ast gefallen bin, bevor ich gelernt habe, perfekt zu springen?“
Anna musste lächeln. „Ja, das stimmt wohl. Aber ich kann mir keine Fehltritte leisten. Das Team verlässt sich auf mich.“
„Und genau deshalb brauchst du manchmal einen kleinen Schubs“, schnurrte Gustav und sprang auf die Fensterbank. „Manchmal wissen wir, was zu tun ist, aber wir brauchen jemanden, der uns den letzten Anstoß gibt.“
„Einen Schubs?“, wiederholte Anna und schaute zu ihm auf. „Das klingt so, als hätte ich keine Kontrolle.“
„Nicht so gemeint“, entgegnete Gustav. „Aber denk mal an all die Berater, die du dir ins Haus holst. Sie sagen dir meistens das, was du ohnehin schon weißt, oder?“
Anna nickte. „Ja, aber sie bestätigen meine Einschätzung und geben mir Sicherheit.“
„Genau!“, rief Gustav und seine grünen Augen funkelten. „Du holst dir die Bestätigung, die du brauchst, um ins Handeln zu kommen. Es ist nicht die Entscheidung an sich, vor der du Angst hast. Es ist die Verantwortung danach.“
„Ja… und was, wenn ich es bereue?“
„Das wirst du niemals wissen, wenn du es nicht versuchst“, schnurrte Gustav und blickte aus dem Fenster. „Es gibt diese Geschichte von fünf Fröschen, die auf einem Baumstamm sitzen. Vier von ihnen beschließen zu springen. Wie viele bleiben übrig?“
Anna dachte kurz nach und lächelte dann. „Alle fünf. Denn beschlossen zu springen und wirklich zu springen, sind zwei verschiedene Dinge.“
„Exakt!“, rief Gustav. „Es reicht nicht, eine Entscheidung zu treffen. Du musst auch den Mut haben, sie umzusetzen.“
Anna lehnte sich zurück und ließ die Worte sacken. „Ich brauche also nur jemanden, der mich anschubst?“
„Nicht immer“, korrigierte Gustav. „Aber manchmal ist es genau das, was du brauchst. Ein Berater, ein Mentor, ein Freund… oder eben ein kleiner Säbelzahntiger.“
Anna lachte. „Also, willst du mir einen Schubs geben?“
Gustav grinste. „Nein. Aber ich werde dir sagen, dass du es bereits in dir hast. Du weißt, was zu tun ist. Jetzt musst du es nur noch machen.“
Anna nahm einen tiefen Atemzug. „Du hast recht. Ich werde heute handeln.“
„Sehr gut“, schnurrte Gustav zufrieden. „Und vergiss nicht: Der Unterschied zwischen Entscheiden und Tun ist der Mut zum Sprung.“
Anna nickte. „Und manchmal braucht man nur einen kleinen Schubs, um abzuheben.“
„Genau so ist es“, schnurrte Gustav und ließ sich wieder auf der Fensterbank nieder. „Und ich werde hier sitzen und zusehen, wie du fliegst.“
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